Die GPRA, ein Wirtschaftsverband von PR-Agenturen, erhebt quartalsweise in Kooperation mit TNS Emnid Repräsentativbefragungen. Die neueste Erhebung fasst die GPRA als Schlagzeile zusammen: "Deutschland glaubt an die Energiewende – Die Zukunft wird sonnig!" ( Vertrauensindex Q2/2011)
Befragt nach der Zukunftsfähigkeit von Energieträgern, erhielt die Solarenergie die höchste Bewertung: 99 Prozent der Befragten maßen "der Sonnenenergie eine besonders hohe Wichtigkeit für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland" bei.
Dieses Ergebnis finde ich doch außerordentlich überraschend, weil ich viele Deutsche kenne, die aus der Energiefrage KEINE Glaubensfrage gemacht haben und die Solarenergie NICHT für eine vernünftige Lösung zur Energieversorgung halten. Eine nahezu 100-prozentige Übereinstimmung lässt sich allerdings bei den Solarfirmen und bei den Visionen im Greenpeace-Plan finden.
Ausgesprochen stutzig macht mich aber der folgende Kommentar des GPRA-Verbandes: "Während Industrie und Politik noch über die Energiewende streiten, hat die Bevölkerung in Deutschland diesen Wandel mental längst vollzogen. Regenerativen Energieträgern, allen voran der Solartechnik vertrauen die Deutschen als Energiequelle der Zukunft. Fossile Brennstoffe, aber vor allem Kernenergie, besitzen keine Akzeptanz mehr und sind Auslaufmodelle."
Für die Umfrage wurde bei den Auswahlmöglichkeiten der Energieträger, im Unterschied zu den anderen Bezeichnungen, nicht die stets in den Medien verwendeten Bezeichnungen, Atomkraft oder Kernenergie, verwendet, sondern Uran/Plutonium. Laut Umfrageergebnis hielten immerhin 20 Prozent diesen Energieträger für zukunfstfähig.
Wie lässt sich dieses Ergebnis interpretieren? Halten die 20 Prozent der Befragten die Kernenergie für nicht zukunfstfähig, weil sie davon ausgehen, dass dieser Energieträger in Zukunft politisch nicht mehr unterstützt wird, weil sie ihn persönlich ablehnen oder aus welchen anderen Gründen?
Die von GPRA veröffentlichten Daten erlauben aus meiner Sicht die Schlussfolgerung, Kernenergie sei ein Auslaufmodell, nicht. Einer der entscheidenden Gründe dafür ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass die Diskussion über die zukünftige Energieversorgung in Deutschland nicht über die physikalischen Eigenschaften und Besonderheiten der Kernenergie und über deren Risiken und Vorteile offen geführt wurde. Die Ereignisse in Japan haben in den vergangenen Wochen eine sachliche Diskussion zunächst weiter erschwert, aber nicht wegen des Erdbebens oder der Folgen der Katastrophe in Fukushima, denn die Anteilnahme am Schicksal der Japaner war in anderen Ländern offenbar größer als in Deutschland, ohne dass sie zum Ausstieg aus der Kernenergie geführt hätte.
Die Besonderheit in Deutschland, die zum Beschluss für einen kompletten Ausstieg geführt hat, hängt damit zusammen, dass sich bereits vor dem 11.03.2011 ein durch Lobbyismus, hohe Subventionierungen und durch verschiedene Netzwerke stark gewordener ökologisch-industrieller Komplex herausgebildet hat. Es war daher relativ einfach, die Emotionalität geschickt, mit sehr viel PR und Propaganda, und sehr schnell gegen die Kernenergie (nicht beherrschbar, Kernenergie ist tödlich) und zu Gunsten der erneuerbaren Energie zu steuern ("Fukushima sells"). Die Emotionen gingen teilweise so weit, dass, wie Mitarbeiter in Atomkraftwerken berichteten, sich Freunde ihnen gegenüber plötzlich aggressiv verhielten und sogar ihre Kinder in den Schulen von Atomkraftgegnern wegen der Berufstätigkeit ihres Vaters verbal attackiert wurden.
Wenn die Energiefrage in einer Art Glaubenskrieg ausgetragen wird, dann zeigt dies einen gravierenden Bildungsmangel in Deutschland, besonders im naturwissenschaftlichen Bereich. Über die Kernenergie wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von keiner Seite offen und öffentlich diskutiert, Kernphysiker haben ihre Fähigkeit zur Selbstkritik verloren, Atomkraftgegner besetzten diese Nische. Eine sachliche Entscheidung der Menschen war offenbar weder von den Kraftwerksbetreibern, noch von staatlicher Seite oder von der Anti-Atomkraft-Bewegung gewollt ("Was wären die Atomgegner ohne Castortransporte?").
Die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit der Kernenergie hat sich aber nicht automatisch durch Fukushima erledigt. Der Beschluss, aus der Kernenergie auszusteigen, wird die notwendige Diskussion darüber weiter verschieben, vielleicht bis zur Abschaltung des letzten Kernkraftwerkes, aber den Bedarf danach nicht auslöschen können. Es wird nicht einmal helfen, "Atomgefahrleugner" zu diskriminieren, wie es die Grünen im Moment mit den "Klimaleugnern" versuchen. Daran würde auch eine entsprechende Änderung im Grundgesetz nichts ändern. Wissen und Forschung lassen sich auf Dauer nicht unterdrücken.
Die Wahrnehmung der Menschen könnte sich ändern und die Drohung vor den Folgen eines Atomunfalls kaum noch die Wirkung zeigen, die dem ökologisch-industriellen Komplex einen enormen Boom verschafft hat, weil sich andere Gefahren als viel näher liegend darstellen (viele Tote durch Ehec-Bakterien, aber kein Toter durch Verstrahlung in Fukushima, Gefährdung des Grundwassers durch Ehec, Botulismus durch Biogasanlagen, die Folgen des Fracking bei Gasbohrungen, Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke, gesundheitliche Nachteile durch Windkrafträder, Risiken durch Windkraftanlagen, Subventionierung der uneffektiven Solarenergie, usw.). Nur durch einen sehr schnellen Ausstiegsbeschluss konnte der ökologisch-Industrielle Komplex, durch die Atomkraftgegner auch im emotionalen Spektrum gestärkt und heute noch als "gut" empfunden, berechtigten kritischen Fragen ausweichen. Erst Fakten schaffen, dann sehen, wie es weiter geht, lautet die Devise.
Die Wahrscheinlichkeit ist daher sehr hoch, dass es zu einer Neubesinnung kommen wird, sobald sich die Versprechen des ökologisch-industriellen Komplexes als unrealistisch und zu teuer herausgestellt haben werden. Für die Solarenergie ist dies bereits nachweisbar. Die Gier des aufstrebenden ökologisch-industriellen Komplexes, der sich auf Kosten der Steuerzahler mit Hilfe von Subventionen, Drittmitteln, Forschungsmitteln etc. bereichern will (in der Fachsprache: "Abpicken"), wird früher oder später auf Widerstand stoßen. Die Frage der Akzeptanz und der Auslaufmodelle wird sich dann möglicherweise ganz neu stellen.
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